In meinen regelmäßigen Artikeln in der Rubrik “Bilingual Kids” wird viel über die zwei- oder mehrsprachige Erziehung aus der Perspektive der betroffenen Familien erzählt. Mich interessiert die Praxis, die Umsetzung und der Umgang mit dem Thema Bilingualität, abhängig vom kulturellen und sprachlichen Kontext.

Den heutigen Beitrag widme ich den nicht-europäischen Sprachen. Wie reagiert das Umfeld, wenn Kinder eine “exotische” Sprache sprechen? Muss man gegen Vorurteile kämpfen oder haben die Menschen heutzutage eine gewisse “Sprachtoleranz”, unabhängig vom Land? Haben Kinder Schwierigkeiten, solche ganz unterschiedliche Sprache zu lernen?

Auf diese und andere Fragen haben mir drei multikulturelle Familien geantwortet. Kommt doch mit und entdeckt mit uns dieses Sprachabenteuer!

Deutsch – Afganisch (Dari)

Sonja hat 3 kleine Töchter, die 3, 5 und 8 Jahre alt sind. Ihr Mann ist Afghane, kam aber mit 5 Jahren nach Deutschland und spricht akzentfrei Deutsch. Sie spricht mit den Kindern ausschließlich Deutsch, ihr Mann ausschließlich Dari. Auch die Familie des Mannes, also Oma, Onkel und Tanten sprechen mit den Mädchen Dari. Sonja und ihr Mann sprechen unter einander Deutsch, auch wenn sie Dari weitestgehend versteht.

Sonja war es bewusst, dass diese Sprachkonstelation nicht leicht werden wird – nach der Lektüre von Fachbüchern verstand sie, dass Dari eine “Low Prestige Sprache” ist (High Prestige wäre zum Beispiel Englisch, dass überall gesprochen wird und daher den Kindern viel nützt und Anerkennung bringt). Zudem wachsen die Kinder in einer deutschen Umgebung auf und verbringen mit ihrem Vater weniger Zeit als mit der Mutter. Für die Familie war daher vom Anfang an klar: da hilft nur Konsequenz. Die afghanische Familie wurde entsprechend gebrieft und immer wieder darauf hingewiesen, dass sie mit den Kindern ausschließlich Dari sprechen sollen.

Aber selbst der Papa war am Anfang ein bisschen skeptisch. Für ihn gehörte Dari nur in den Kreis seiner afghanischen Familie, wurde von ihm also nur im privaten Familienkreis gesprochen. Dass er nun in seiner neuen kleinen Familie mit den Kindern auch Dari sprechen sollte und damit ja auch ständig im Kreis seiner Freunde, war ein ungewohnter Gedanke für ihn. Nur der Zusammenhalt der Familie und die Unterstützung der Frau führte zum Erfolg. Heute spricht der Papa mit seinen Töchtern konsequent Dari, auch wenn sie oft in Deutsch antworten.

Sonja und ihr Mann empfinden die Zweisprachigkeit als Bereicherung. Leider stoßen sie an ihre Grenzen, wenn es um Lesen und Schreiben geht. Ihr Mann kann in seiner Sprache weder lesen, noch schreiben. Die Hürde ist, dass es sich um arabische Schrift handelt. Es gibt kaum Materialien auf Dari für Kinder und die Familie hat bis jetzt – trotz intensiver Suche – keinen Lehrer gefunden, der das afghanische Persisch spricht und die Kinder in Lesen und Schreiben unterrichten könnte. Das ist sehr schade, weil ein wichtiger Teil der Sprache so fehlt. Ein Fortschritt ist für sie, dass ein paar Folgen der “Sendung mit der Maus” nun auch auf Dari produziert werden – sie profitieren in diesem Sinne von der sogenannten “Flüchtlingskrise” und dass die Welt in Deutschland bunter wird.

Das Umfeld der deutsch-afghanischen Familie reagiert bisher positiv – die Familienmitglieder werden auch oft angesprochen und gefragt, welche Sprache die Kinder sprechen. Das ist aber bisher immer freundlich-interessiert. Die Kinder bemerken das Interesse der anderen auch zunehmend und sind oft richtig stolz. Sonja freut sich besonders, weil die afghanische Kultur und Sprache so auch mal positive Reaktionen auslöst und ihre Kinder nicht nur mit dem negativen Bild ihrer Kultur konfrontiert werden. Hat Sonja das Gefühl, dass die deutsche Oma manchmal vielleicht etwas verunsichert ist, wenn sie nicht versteht was Sonjas Mann mit den Kindern spricht, bemüht sie sich dann, schnell zu übersetzen. 

Leider kann die Familie aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht nach Afghanistan reisen – es gibt jedoch Familie in Kanada, die sie häufiger besuchen. Da ihre Kinder noch kein Englisch sprechen, sind gezwungen, Dari zu sprechen und sehen auch, dass die Sprache für sie in der Kommunikation wirklich nützlich sei kann (dass ihr Vater auch Deutsch versteht, haben sie natürlich verstanden und sind da oft etwas faul). Sie verbringen auch oft 1-2 Wochen alleine bei der afghanischen Oma und den Onkeln und Tanten. Danach machen sie immer wieder einen regelrechten Sprachschub. Da dort in der Familie die Hauptsprache Afghanisch ist, sind sie gezwungen die Sprache zu sprechen und hören sie in dieser Zeit tagein-tagaus. Das bringt sehr viel für die Sprachentwicklung.

Zum Schluss zieht Sonja ein positives Fazit: “Meine Kinder bekommen von ihrem Vater ein besonderes Geschenk mit auf den Lebensweg. Eine Sprache muss man sich sonst hart erarbeiten und den 3 Mädchen fällt sie einfach so in den Schoss”.

Deutsch – Englisch – Polnisch – Tamilisch

Natalia mit der bilingualen Familie

Natasha lebt bereits seit ihrem 8. Lebensjahr in Deutschland, spricht mit ihrer Familie in Polen und Deutschland aber ausschließlich Polnisch. Ihr Mann kommt aus Sri Lanka und ist seit 3 Jahren in Deutschland. Ihre Tochter Hanna ist nun 17 Monate alt und wird mit 4 Sprachen konfrontiert, denn die Eltern sprechen miteinander Englisch.

Natasha ist es klar, dass es schwierig werden wird, alle sprachen auf dem gleichen Niveau zu halten – erfahrungsgemäß rückt eine Sprache immer ein wenig in den Hintergrund, wenn sie nicht hinreichend trainiert wird. Dies beobachtet sie in ihrer eigenen Familie – ihre beiden Cousinen sind dreisprachig aufgewachsen: polnisch vom Papa, englisch von der Mama und deutsch als Umgebungssprache. Doch als die Mädchen in die Schule kamen, sprachen sie zwar akzentfrei englisch, lagen aber in den ersten Jahren in Rechtschreibung und Grammatik bei den Noten 3 und 4. Deswegen stellt Natasha fest: “Wenn unsere Hanna also nicht regelmäßig Polnisch- oder Tamilischunterricht bekommt, kann es ihr bei diesen ‘Extra’-Sprachen auch passieren”.

Den Verwandten in Polen und Sri Lanka ist es wichtig, dass Hanna sie versteht und sich mit ihnen unterhalten kann, selbst wenn sie nur skypen. Die heftigsten Reaktionen in der Umgebung der Familie kommen von denjenigen, deren Kinder mit nur einer Sprache aufwachsen – Hanna würde überfordert und könne gar nicht eine Sprache richtig lernen, wenn so ein Sprach-Kuddelmuddel herrscht. Dabei sieht die Familie ganz deutlich, dass Hanna schon in der Sprache antwortet, in der sie angesprochen wird.

Welche Sprachmethode ist für die Familie wichtig? Natasha und ihr Mann machen einen Mix aus OPOL (One person one language) und T&P (time & place) – der Mann sagt z.B. etwas auf tamilisch, wiederholt es aber auf Deutsch oder Englisch, wenn er merkt, dass Hanna es nicht versteht. Ähnlich macht es Natasha auf Polnisch und Deutsch. Zu den wichtigsten Punkten bei der mehrsprachigen Erziehung zählen für sie gemeinsames Spielen in der Muttersprache, Konsequenz, Kontakt zu Gleichaltrigen, die die selbe Sprache, wie das Kind sprechen, Kontakt zu der Familie im Heimatland, Videos und Fernsehen in der Muttersprache und Vorlesen in der Muttersprache.

Deutsch – Polnisch – Arabisch

Grazyna mit der bilingualen Familie

Grażyna ist Polin, die die Liebe ihres Lebens auf der tunesischen Insel Djerba gefunden hat. Zusammen haben sie zwei Kinder (Ines 9 und Adam 5). Ihr Mann spricht mit den Kindern Arabisch und sie Polnisch. Miteinander sprechen die Erwachsenen Deutsch. Die Kinder unterhalten sich auf Deutsch oder auf Polnisch.

Grażyna war nach ihrem Studium (Germanistik) gut auf dieses Thema vorbereitet. Die Familie hat beschlossen, dass jedes Elternteil mit dem Kind in seiner Muttersprache spricht.

Die größte Herausforderung bei der bilingualen Spracherziehung, ist die Tatsache, dass sie jetzt in Deutschland leben und die Kinder wenig Kontakt mit der polnischen und arabischen Kultur haben. Die Eltern sind praktisch die einzigen Bezugspersonen. Das war aber nicht immer so, denn die leben erst seit drei Jahren in Deutschland. Davor hat Grażynas Familie fast 4 Jahre in Tunesien gewohnt. Das verursacht den großen sprachlichen Unterschied zwischen den Geschwistern – Ines spricht deutlich besser arabisch, als ihr Bruder, denn er hat schon seit dem 20. Lebensmonat in Deutschland gelebt.

Die Familie beherzigt die OPOL-Methode. Grażyna versucht immer konsequent zu sein und mit den Kindern nur polnisch zu sprechen, das gleiche macht ihr Mann auf arabisch. Manchmal passiert es, dass sie sich dem Umfeld anpassen und deutsch sprechen. Trotzdem zählen gemeinsames Spielen in der Muttersprache, Konsequenz, Kontakt zu Gleichaltrigen, die die selbe Sprache, wie ihre Kinder sprechen, Kontakt zu der Familie im Heimatland und Vorlesen in der Muttersprache zu den wichtigsten Elementen bei der bilingualen Spracherziehung.

Liebe Sonja, liebe Natasha, liebe Grażyna, vielen herzlichen Dank für Eure Interviews und Eure Tipps!

ممنون, dziękuję, thank you, நன்றி, شكرا und danke schön!

Hast Du auch eine mehrsprachige Familie? Möchtest Du Deine Erfahrung mit uns teilen? Dann schreib mir bitte eine Nachricht an: frommunichwithlove@gmail.com.