Am 13. Januar 2017 hatte ich meinen Jahrestag – jetzt lebe ich schon 7 Jahre in Deutschland oder besser gesagt in München. Denn davor hatte ich bereits 1,5 Jahre in Hamburg gelebt, aber diese Periode war für mich immer temporär und nicht mit dem Gedanken “für immer”. Trotzdem war meine erste direkte Begegnung mit Deutschland wie ein kultureller Schock, und das obwohl sich die Polnische und Deutsche Kultur gar nicht so viel voneinander unterscheiden! Doch der Alltag offenbarte so einige Überraschungen.

7 Jahre lebe ich schon hier und trotzdem gibt es immer noch Dinge, an die ich mich nicht gewöhnen kann. Obwohl mein Mann Deutscher ist und seine ganze Familie hier lebt, bin ich immer wieder aufs Neue über diverse Kuriositäten erstaunt.

1Auf den Tisch klopfen

Als ich diese Geste das erste Mal gesehen hatte, wusste ich gar nicht, was los war! Denn ich habe ihre Bedeutung nicht sofort verstanden… Ich glaube es war in einem Restaurant, als ich mit Freunden etwas trinken war. Jemand kam verspätet zum Restaurant und statt jedem die Hand zur Begrüßen zu schütteln, klopfte er mit den Fingerknöcheln auf den Tisch! Ich war so perplex, dass ich ein paar Minuten lang nichts mehr sagen konnte – what was that?!

Auch das “harmlose” auf den Tisch Klopfen als Bestätigung oder als Alternative zum Klatschen macht mich etwas nervös! Selbst nachdem ich „am Tisch klopfen“ schon 100 Mal gesehen habe, fühle ich mich immer noch total verunsichert, vor allem wenn ich in diesem Moment im Mittelpunkt stehe. Da klatsche ich lieber oder sage etwas Nettes 🙂 Echt nicht mein Ding!

2“Rotthaler!”

Ich konnte es kaum glauben, als ich mein Mann das erste Mal am Telefon mit seinen Eltern gehört habe – er hat den Hörer abgenommen und obwohl er ganz genau wusste, dass es seine Mama oder sein Papa anruft, hat er sich mit seinem Nachnamen vorgestellt! WHAT??? Geht’s noch? Man kann doch auf dem Display sehen, wer anruft, und deswegen könnte man ja ein bisschen persönlicher und freundlicher ran, oder? Aber als ich damals meine Schwiegereltern anrief und sie genau so dran kamen, wusste ich schon, that is the way it is here. OMG!

Warum hat es mich gewundert? Weil ich mein privates und berufliches Leben deutlich trenne – wenn ich über mein Diensthandy spreche, würde ich mich immer mit meinem Nachnamen vorstellen. Aber wenn meine Mama oder meine Freundinnen anrufen, würde ich IMMER sagen: “Hallo, na wie geht es Dir?” oder “Hey, schön Dich wieder zu hören!” – alles andere kommt mit einfach nicht über die Lippen. Never, ever!

3Frau Rotthaler

Der Punkt erklärt mehr eine polnische und keine deutsche Kuriosität, zeigt aber im Vergleich, wie viele mögliche Wege der Kommunikation es geben kann. Die polnische Sprache hat nämlich sehr viele Feinheiten und Nuancen, die die Mentalität widerspiegeln. Gerade bei den Namen gibt es einen großen Unterschied zu Deutschland.

Lasst mir es mit einem Beispiel erklären!

Wenn man sich in der deutschen Sprache duzt, benutzt man einfach den Vornamen. Wenn man sich siezt, wird nur der Nachname benutzt. Z. B. Frau Joanna Kowalska wird Joanna (duzten) oder Frau Kowalska (siezen) genannt. In der polnischen Sprache hingegen sieht die Sache ganz anders aus! Pani (Frau) Joanna Kowalska wird ziemlich selten benutzt, nur bei hoch offiziellen Anlässen. Freunde, die Joanna Kowalska duzen, sprechen sie mit AsiaJoasiaAśkaJoaśkaAsieńka an. Wir benutzen ganz viele Kosenamen! Wer Joanna Kowalska siezt, spricht sie mit pani Asia oder pani Joanna an. Sehr selten wird sie pani Kowalska genannt, meisten bei offiziellen Anlässen.

Diese Formel zeigt einfach die Leichtigkeit, mit der man in Polen vom Offiziellen ins Informelle übergeht. Vielleicht habe ich auch deswegen Schwierigkeiten, mich am Telefon mit meinem Nachnamen zu melden, wenn meinen anrufen. Und ich fühle mich richtig wohl, wenn mich jemand aus Polen mit Pani Dominiko anspricht – es fühlt sich sehr vertraut und heimisch an 🙂

4Gentelmänner

Wenn ich in Polen bin, genieße ich es richtig – die Aufmerksamkeit der Männer, die uns Frauen geschenkt wird.  Ich meine kleine Geste, die einfach nett und höfflich sind und für mich nichts mit Emanzipation zu tun haben. D. h. wenn ein Mann mir im Bus einen Platz anbietet, oder mir bei der Türe den Vortritt läßt, mir hilft, meinen Mantel anzuziehen, oder meinen Handschuh oder Schal vom Boden aufhebt, wenn er mir zufällig hinfällt. Glaubt mir, in Polen hat dies nichts mit Gleichstellung zu tun – es ist kulturell verankert und es gehört einfach zum Leben dazu. In Deutschland kann ich auf solche Geste lange warten – selbst mein Mann muss es immer noch lernen…

5Dialekte

Für jeden Ausländer sind deutsche Dialekte die ultimative Herausforderung. Was mir sofort aufgefallen ist, sind unterschiedliche Namen für ein und denselben Gegenstand und zwar nicht nur je nach Bundesland sondern sogar je nach Stadt und in der ländlichen Gegend sogar je nach Dorf. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Berliner, Krapfen, Pfannkuchen. Oder Möhren, Mohrrüben, Karotten, Rübli. Oder Brötchen, Semmel, Weckerl. Dazu kommen natürlich auch verschiedene Aussprachen und Mundarten. Diese Vielfalt ist zwar wunderschön und sehr reich, aber verdammt schwierig für einen nicht-Muttersprachler! Also bitte: habt mit uns Erbarmen! 😉

6Meine Waschmaschine steht im Keller

Der erste Schock nachdem ich nach München kam: wir haben keine Waschmaschine zu Hause! Mein Mann suchte damals die Wohnung alleine aus, da ich noch in Polen war und erst am Schluss teilte er mir mit, dass ich ab jetzt planen muss, wann wir Wäsche waschen. Man muss sich nicht nur in einen Kalender eintragen sondern dafür auch noch in den Keller gehen! WAAAASSSS? Keine meiner polnischen Freunde wollte mir das glauben! Erstmals die eigene Unterwäsche und Kleider öffentlich zu waschen und zweitens planen zu müssen wann gewaschen wird! Das ist für die polnische Mentalität eine wahre Herausforderung, die mich am Anfang meines Aufenthaltes einige Tränen kostete. Inzwischen kann ich sogar behaupten, dass ich mich daran gewöhnt habe, aber komfortabel finde ich es nicht.

7Busfahrer geben den Ton an!

Wer das Mikro hat, hat die Macht – könnte man meinen, wenn man in Deutschland lebt! In Polen sind die Busfahrer still und eher ein anonyer Alltagsbegleiter. In Deutschland, ich glaube vor allem in München, haben sie sehr viel zu sagen! Manchmal ist so eine Reise mit den öffentlichen Verkehrsmittel ein richtiges Abenteuer! Im Fokus stehen oft Eltern und ihre Kinder. „Der Ticketautomat ist nicht zum Spielen da! Wenn Sie spielen wollen, gehen Sie doch auf den Spielplatz!“, „Bitte stellen Sie den Kinderwagen dorthin, wo es hingehört!“, „Liebe Mama im roten Mantel, blockieren Sie bitte die hintere Türe nicht!“ oder „Wenn sie weiterhin so langsam einsteigen, dann verbringen wir unseren Feierabend in der Tram und nicht zu Hause!“ – das sind nur einige von den Sätzen, die ich hier im Bus oder in der Straßenbahn gehört habe… Als mein Mann hörte, dass ich mich so sehr über die Münchner Tramfahrer beschwerte, zeigte er mir im Internet „Ein Wagen der Linie 8“ und auf einmal verstand ich alles! Nämlich dass diese grantigen Stimmen ein längeres Standing in der Geschichte haben und eher als Münchner Merkmal gelten 😉

Mei, dann nehme ich es halt so an!

Deutsche Kuriositäten

Aber: das Leben in Deutschland kann so schön sein! Deswegen versteht bitte meinen Artikel nicht als Beschwerde, sondern seht es eher als einen ganz persönlichen Einblick in bestimmte Angelegenheiten, die für mich als Kuriositäten gelten. Und für mich immer gelten werden – das wird sich wahrscheinlich nie ändern. Oder doch, wenn ich das erste Mal am Tisch geklopft habe – dann heißt es, ich bin nun voll integriert! 😉